Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow
Сергей Васильевич Рахманинов
wiss. Transliteration Sergej Vasil'evič Rachmaninov
Er selbst schrieb sich in lateinischen Buchstaben Rachmaninoff
* 20. März (jul.)/1. April (greg.) 1873
Landgut Semjonowo bei Staraja Russa, Gouvernement Nowgorod, Russisches Kaiserreich
† 28. März 1943 Beverly Hills
Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow
1873–1943
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
c-Moll op. 18
[1901]
1 Moderato
2 Adagio sostenuto
3 Allegro scherzando
wird gespielt von Cǎtǎlin Şerban
am 10. und 11. 3. 2018
Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow erblickte im Frühjahr 1873 im Gouvernement Nowgorod des russischen Kaiserreichs das Licht der Welt. Seine aristokratischen Eltern besaßen ein herrliches Landgut, wo in geselligen Runden abends viel musiziert wurde. Hier erhielt der kleine Sergei von seiner Mutter im Alter von vier Jahren seinen ersten Klavierunterricht. Nachdem sein Vater, – ein gutmütiger Phantast ohne ökonomisches Verständnis für eine Bewirtschaftung, – die landwirtschaftlichen Betriebe in den finanziellen Ruin getrieben hatte, musste die Familie das elterliche Landgut verlassen und zog nach St. Petersburg, wo die Ehe bald darauf zerbrach.
Die pianistische Begabung des kleinen Sergei wurde bald erkannt. Dank der finanziellen Förderung von Verwandten schickte man den 12-jährigen mit 100 Rubeln ausgestattet zur musikalischen Ausbildung nach Moskau. Dort lebte er zunächst im Haus seines Lehrers Nikolai Swerew, der für die Strenge seines Unterrichts bekannt war. Allerdings pflegte man in dessen Haus ein offenes künstlerisches Umfeld, und viele der bedeutendsten Persönlichkeiten der Moskauer Kunstszene besuchten die sonntäglichen Treffen. Hier bekam der junge Sergei Gelegenheit, Künstler wie Tschaikowsky oder Mussorgsky kennen zu lernen. Er vervollkommnete seine pianistische Ausbildung am Moskauer Konservatorium und widmete sich dort auch intensiv dem Studium der Komposition. Schon bald hatte er sich den Ruf eines Wunderkinds erworben und seine ersten eigenen Kompositionen feierten beachtliche Erfolge bei Presse und Publikum.
Leider verleitete dieser frühe Erfolg Rachmaninow zu einem aufwendigen Lebensstil, der seine Rücklagen rasch aufzehrte. Er versuchte, nebenbei Klavierstunden zu geben, war aber pädagogisch eher unbegabt. Einträgliche Konzerttourneen durch mehrere Städte Russlands brach er ab, da ihm das Reisen verhasst war. Zur gleichen Zeit erhielt auch seine 1. Sinfonie vernichtende Kritiken und fiel beim Publikum durch. Der junge Rachmaninow, der ohnehin keine Frohnatur war, geriet daraufhin zunehmend in eine tiefe Schaffenskrise, seine Kreativität versiegte, und er verfiel in eine Phase tiefer Depression.
In dieser düsteren Zeit begab er sich in die Hände eines russischen Pioniers auf dem Gebiet der Psychiatrie, Dr. Nikolai Dahl. Dieser behandelte seine Patienten mit der neuartigen Hypnosetechnik, und während Rachmaninow Tag für Tag schlafend im Behandlungszimmer die suggestiv gesprochenen, hypnotischen Formeln des Arztes in sich aufnahm, begannen sich, wie durch ein Wunder, die musikalischen Ideen in ihm zu regen: das Eis war gebrochen, sein Selbstvertrauen kam zurück.
Noch im gleichen Sommer begann er mit der Arbeit an seinem 2. Klavierkonzert op. 18 in c-Moll. Er widmete es seinem Arzt Dr. Dahl. Das Konzert wurde im Oktober 1901 mit Rachmaninow als Solist in Moskau uraufgeführt und von der Öffentlichkeit spontan mit euphorischer Begeisterung aufgenommen.
Bis heute zählt dieses 2. Klavierkonzert zu den bekanntesten Konzerten der Romantik und genießt eine große Popularität. Der Aufbau des 3-sätzigen Werks folgt mit großer Klarheit der klassischen Form. Die weiten, lyrisch-melancholischen Melodiebögen in russischem Kolorit und voll von sinnlichem Pathos, werden unterbrochen von nervös-akzentuierten Gefühlsausbrüchen, und das gesamte Werk erstrahlt in üppiger sinfonischer Pracht und hochvirtuoser Tastenherrlichkeit.
Nach der Vermählung mit seiner Cousine Natalia erhielt Rachmaninow eine Anstellung als Dirigent am Moskauer Bolschoi-Theater. Dort verfügte er u. a., dass einzelne Instrumentengruppen während einer Aufführung nicht einfach »abtauchten«, wenn sie über längere Passagen nichts zu tun haben – das betraf vor allen Dingen die Blechbläser, die gern den Orchestergraben während der Zeit ihrer Nichtbeanspruchung verließen.
In den folgenden Jahren wurde der große Russe mit dem undurchdringlichen, ernsten Gesicht, dem kurzen Haarschnitt und einer unnahbar kühlen Ausstrahlung ein begehrter Gast in vielen Konzertsälen, wo die rhythmische Kraft und nüchtern durchdachte Logik seines Klavierspiels bewundert wurde. Einige Zeit lebte er in Dresden (Semperoper) und in Leipzig (Gewandhausorchester), und seine Tourneen führten durch die Großstädte in Europa und den USA.
Trotz der engen Bindung an die russische Heimat wurden die Rachmaninows durch die Wirren der Oktoberrevolution gezwungen, Russland bald endgültig zu verlassen und das Exil in den USA zu suchen. Hier hatte man Sergei Rachmaninow mehrere Dirigentenposten angeboten. Er wiederum bevorzugte die freie Arbeit als Pianist und wurde zu einem der begehrtesten und bestbezahlten Klaviervirtuosen seiner Zeit.
Obwohl als Star gefeiert, konnte sich Rachmaninow in den USA nicht wirklich akklimatisieren. Er lebte mit seiner Familie sehr zurückgezogen, sein Englisch blieb miserabel. Auch kam seine Kompositionstätigkeit im Exil weitgehend zum Erliegen – ihm fehlte die Inspiration Russlands.
Die Sehnsucht nach dem alten Europa veranlasste Rachmaninow, 1930 eine Villa am Vierwaldstätter See zu erwerben, wo er während vieler Sommermonate beim Komponieren zu seinem melodischen Erfindungsreichtum zurückfand. Trotzdem nahm das Publikum diese Arbeiten nur noch zurückhaltend auf.
Schließlich verlor er mit Beginn des Zweiten Weltkriegs auch seine neue Schweizer Heimat: 1942 erwarb er ein Grundstück in Beverly Hills, Kalifornien. Die anstrengenden Konzertreisen der vergangenen Jahren hatten tiefe Spuren bei ihm hinterlassen, mehr noch sein Zigarettenkonsum. Zu seinen letzten Kompositionen zählt die Bearbeitung eines Wiegenlieds von Peter Tschaikowsky. Das Ende kam schnell, Rachmaninow verstarb 1943 kurz vor seinem 70. Geburtstag an Lungenkrebs. Seine letzte Ruhestätte fand er an der Seite seiner Frau und seiner Tochter in Valhalla bei New York. | M. FOERSTER
Ewald Reder: Sergej Rachmaninow, Leben und Werk (1873–1943). 3. Aufl. 2007 – Andreas Wehrmeyer: Sergej Rachmaninow. rororo-Monographie, Reinbek 2000 – Maria Biesold: Sergej Rachmaninoff 1873–1943. Zwischen Moskau und New York. Eine Künstlerbiographie. Berlin 1999