Otto Nicolai


Joseph Kriehuber, Otto Nicolai, Lithographie

Carl Otto Ehrenfried Nicolai

* 9. Juni 1810 in Königsberg i. Preußen

† 11. Mai 1849 in Berlin

Lithographie von Joseph Kriehuber (1800–1876)



Die lustigen Weiber von Windsor


Otto Nicolai

1810–1849

 

Ouvertüre zur Oper

»Die lustigen Weiber von Windsor«

 

 

Dieses Stück war am 5. 7. 2003

im Programm 

 »Klassik im Salon 4«

zu hören 


The merry wives of Windsor. Englische Radierung, 19. Jh.  – www.homestead.com


Das Geheimnis des großen Bühnenerfolges ist noch nicht gelüftet. Opern, die sich in jeder Hinsicht (sogar bühnentechnisch) der Vollendung nähern, sind in der Versenkung verschwunden. Andere, die weniger wertvoll, oft sogar weniger wirkungsvoll sind, gehören zum ständigen Repertoire unserer Bühnen. Es scheint, daß außer der musikalischen, textlichen und szenischen noch eine vierte Energie erforderlich ist, die jener Kraft parallel läuft, welche wir bei dem großen Virtuosen als »Fluidum« bezeichnen.

 

Otto Nicolai – 1810 in Königsberg geboren, Organist in Rom, Hofkapellmeister in Wien, dann in gleicher Eigenschaft in Berlin bis zu seinem Tode (1849) – fand diesen zündenden Funken erst mit seiner letzten Oper. Nachdem er mit vier italienischen Opern vergeblich um den großen Erfolg gekämpft hatte, fand er ihn plötzlich acht Wochen vor seinem Tode mit den Lustigen Weibern. Hier ist das Beispiel einer Oper, die – ganz aus dem Geist und den Ansprüchen einer bestimmten Epoche heraus entstanden – doch zu einem dauernden Bestandteil der deutschen Spielpläne wurde. Allerdings ist Nicolais Musik von einem sprühenden Humor, leicht verständlich, gut klingend; man spürt nicht nur den einfalls- und empfindungsreichen Musiker, sondern auch den erfahrungsreichen Theatermann. Dazu kommt die geschickte Wahl des Textbuches, das nach Shakespeares Lustspiel von Mosenthal für die Opernbühne bearbeitet wurde. Hier finden wir alles, was ein Opernkomponist der 40er Jahre braucht: Komisches, Lyrisches und Hochdramatisches, die Koloratur, den Buffo, den schmachtenden Tenor, die Naive und zwischen allem diesen köstlichen Falstaff, diese komischste Mischung aus Don Juan und Don Quichotte, die dann mehr als 40 Jahre später den greisen Verdi zu seiner Meisterleistung inspirierte.

 

Alle diese durcheinander gewürfelten Elemente spuken schon in Nicolais Ouvertüre, die in strenger Zweiteiligkeit zunächst die stimmungsvolle Mondnacht des letzten Aktes, dann den lieblich polternden Tanz der Elfen schildert. […] | Kurt Weill, 1924

 

Kurt Weill, Musik und musikalisches Theater. Aus: Der Deutsche Rundfunk, 2. Jg., Nr. 48, 30. November 1924, S. 2892f. In: Gesammelte Schriften, hg. von Stephen Hinton u. Jürgen Schebera, Mainz 2000