Fanny Hensel
gebürtig Fanny Zippora Mendelssohn
getauft Fanny Cäcilie Mendelssohn Bartholdy
* 14. November 1805 in Hamburg
† 14. Mai 1847 in Berlin
Wilhelm Hensel
Fanny Mendelssohn Hensel
Handzeichnung
aus: Sebastian Hensel, Die Familie Mendelssohn, 1729–1847, 2nd ed. Berlin: B. Behr, 1880
vol. 1, opposite p. 272.
Gilmore Musik Library Vf13 M523 879Hb 1
Fanny Hensel
1805–1847
»Hiob«
Kantate für Soli, Chor und Orchester
[1831]
1. Chor »Was ist ein Mensch«
2. Arioso Larghetto
»Warum verbirgst Du dein Antlitz«
3. Chor Vivace
»Leben und Wohltat hast Du an mir getan«
chor canta:re
unter der Leitung von Thomas Noll
und concentus alius
am 17. 1. 2009 im ► Programm Nr. 15
Fanny Hensel,
geborene Mendelssohn Bartholdy, ist zweifellos die Grande Dame der Musikgeschichte Berlins. Sie und ihr komponierender Bruder Felix waren wiederum befreundet mit der Grande Dame der deutschen musikalischen Romantik, Clara Wieck, verheiratete Schumann, und ihrem komponierenden Gatten Robert. Fanny erhielt – hohes Bildungsideal des sich assimilierenden jüdischen Bürgertums zu Beginn des 19. Jahrhunderts – wie Felix intensiven Musikunterricht, dennoch wurde ihr Komponieren vom Vater nicht gern gesehen und vom Bruder ins Private gebannt – was diesen aber nicht hinderte einige ihrer Kompositionen unter seinem Namen zu veröffentlichen … Fanny, die Ältere der Geschwister, gilt als mindestens so begabt wie ihr Bruder – und bewies ihr Talent in den von ihr organisierten Sonntagsmusiken und in ihren zahlreichen Werken: Lieder, Klavier- und Kammermusik, Chöre, Symphonisches, Oratorisches.
»Hiob« ist ein so hörens- wie bemerkenswertes Werk: stilistisch steht es als dreisätzige Kantate noch in barocker Tradition mit fugierenden, rezitativischen und konzertierenden Teilen. Die Textwahl – die alttestamentliche Figur des Hiob ist konfrontiert mit schwersten Schicksalsschlägen und ringt um ihres glaubenden Gehorsams willen mit Gott – erscheint geradezu als Programm am Übergang einer religiösen zu einer aufgeklärten Existenz und als Brückenschlag des jüdischen Hintergrunds hinein in die protestantische preußische Bildungsgesellschaft (1816 waren die Kinder getauft worden – und die Familie hatte sich den Beinamen Bartholdy zugelegt). Das berührende musikalische Vokabular, die singbare und musizierfreudige Gestaltung und der Reichtum der kompositorischen Fantasie zeigen eine souveräne Komponistin, die aus ihrer Fülle schöpft und den Hörenden und Musizierenden diese Erfahrung vermittelt. | Thomas Noll
Holzschnitt aus der Luther-Bibel 1545
Hiob, mit Schwären bedeckt, umgeben von seinen drei Freunden,
seiner Frau und einem Knecht, der eine neue Unglücksbotschaft verkündet (Hi. 2,7-13).
Im Hintergrund die vier Prüfungen:
Feuer vom Himmel (links) verzehrt Hiobs Schafe samt den Knaben;
Feinde rauben (in der Mitte) die pflügenden Rinder
und weidenden Eselinnen und töten die Knaben,
andere nehmen die Kamele und erschlagen gleichfalls die Knaben,
während (rechts) ein Sturm das Haus seines Bruders zerstört,
wobei seine Söhne und Töchter umkommen (Hi. 1,14-19).
»Hiob«
Kantate für Soli, Chor und Orchester
1
Chor (Hiob 7, 17-18)
Was ist ein Mensch,
daß du ihn groß achtest
und bekümmerst dich mit ihm?
Du suchest ihn täglich heim
und versuchest ihn alle Stunde.
2
Arioso (solo) (Hiob 13, 24-25)
Warum verbirgest du dein Antlitz
[und hältst mich für deinen Feind]?
Willst du wider ein fliegend Blatt
so eifrig [ernst] sein
und einen dürren Halm verfolgen?
3
Chor (Hiob 10, 12-13)
Leben und Wohltat hast du an mir getan,
und dein Aufsehn bewahrt meinem Odem,
und wiewohl du solches
in deinem Herzen verbirgest,
so weiß ich doch,
daß du des gedenkest.
Fanny Hensel
1805–1847
Nachtreigen »Es rauschen die Bäume«
für 8-stimmigen gemischten Chor a cappella [1829]
Text von Wilhelm Hensel (1794–1861)
chor canta:re
unter der Leitung von Thomas Noll
am 17. 1. 2009 als Beigabe zum ► Programm Nr. 15
Fanny Hensels »Nachtreigen« entstand im Jahr ihrer Hochzeit mit Wilhelm Hensel; der Text stellt die vier Frauen- und vier Männerstimmen in Dialog und imaginiert den Flirt des romantischen Paares, wie es den Umgang der Geschlechter auf Augenhöhe postuliert.
Wilhelm Hensel
1794–1861
Nachtreigen
Es rauschen die Bäume,
es wallen die Düfte
und zärtliche Lüfte
umfangen die Träume
mit bräutlichem Hauch.
Wir wandeln und wallen
in trautem Umringen,
wir wallen und singen,
und Echo tönt auch.
Beseligend Schallen
und Duften und Scheinen,
o heiliges Einen,
schließt dichter den Kreis, leis, leis.
Hallo, hallo,
so lustig schweift sich’s durch Grün und Nacht.
Frisch wie die Luft der Gedanke,
und froh mit dem singenden Vogel wacht
der Mensch, entronnen der Schranke.
Wie’s scheinet und lacht.
Still! Still!
Nicht die heil’ge Feier stören
wollet mit dem lauten Ruf,
lasset singen uns und hören,
schaffen, wie Natur erschuf.
Leise, weise,
naht dem Kreise,
kommt!
Ja, wir kommen, überwunden
durch der Ruhe heil’ge Macht.
So bleibt friedlich uns verbunden,
denn euch hat der Gott gebracht.
Und gemeinsam sei empfunden,
was der einzelne gedacht.