Tobias Faßhauer


Tobias Faßhauer,

geb. 1966 in Braunschweig, aufgewachsen im Kreis Lippe, hatte von 1987 bis 1989 Unterricht in Tonsatz und Instrumentation bei Berthold Türcke, Berlin, und studierte danach parallel zu einem bereits laufenden Studium der Musik- und Theaterwissenschaft Musiktheorie bei Hartmut Fladt, Stefan Prey und Norbert Fröhlich an der Hochschule der Künste Berlin.

 

Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hanns-Eisler-Gesamtausgabe und promovierte 2005 mit einer Arbeit über Kurt Weills Songstil.

Als Ausgleichssport zur Musikwissenschaft betreibt Faßhauer das Komponieren von neoviktorianischer Unterhaltungsmusik: so schrieb er für verschiedene Berliner Laienensembles, z. B. den Kammerchor Nikolassee (»Goethe-Chansons«, 1998/99), die Zentralkapelle Berlin (u. a. Musik zum Drama »Jagdszenen aus Niederbayern«, 2002; Musik zu dem Kurzfilm „Battlefield Bielefeld“, 2006) und den concentus alius (»Divertimento für Bläserensemble«, 2005).

 

Tobias Faßhauer spielt Posaune; im concentus alius ist er Mitglied seit 2001. [Stand 2007]

 

1996 bis 1999 Arbeit für die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft als Geschäftsführer und Editionsassistent, 2000 bis 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hanns Eisler Gesamtausgabe, 2006 bis 2008 Lehraufträge in Musikwissenschaft an der TU Berlin. Seit 2011 mit Unterbrechungen Dozent an der HU Berlin. 2015 DAAD-geförderte Gastdozentur an der Universidad de los Andes, Bogotá, Kolumbien. Tätigkeit auch als Arrangeur und Komponist.

 

Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin


Maxixe com xuxú


Tobias Faßhauer

*1966

 

Maxixe com xuxú

 

14. 12. 2013  Auftritt 72

Uraufführung zur Schönen Bescherung 2013 

Eine Hommage an den traditionellen brasilianischen Tango (auch bekannt als Maxixe) und seinen Großmeister Ernesto Nazareth, dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird. »Maxixe« heißt auch eine tropische Gurkenart – der Titel des Stücks kombiniert sie mit der Gemüsepflanze »Xuxú« (Chayote) zu einem exotischen Salat. 



Dirge, Waltz & Jig


Tobias Faßhauer

*1966

 

Dirge, Waltz & Jig

für Bläserensemble, Schlagzeug und Kontrabass

[2008] 

 

 

Uraufführung 

4. 7. 2009 ► Programm Nr. 16

Dirge, Waltz & Jig ist ein Not-too-Easy-Listening-Stück für Bläserensemble, Kontrabass und Schlagzeug. 

Der Grundgedanke besteht darin, ein folkloristisch schlichtes, um nicht zu sagen banales Thema im Dreiertakt (eine fixe Idee aus der Jugend des Komponisten) durch verschiedene rhythmisch-gestische ‚Aggregatzustände‘ zu führen. Dabei handelt es sich um erstens ein Dirge (englisch für: Trauerhymne), das ist hier ein stilistisch zwischen sizilianischer Karfreitagsprozession und New Orleans Funeral angesiedelter Abschnitt, zweitens einen Jazz-Walzer als Hauptteil und drittens ein Finale in der Art eines schottisch-irischen Schnelltanzes (Jig), in diesem Fall mit einem leichten Einschlag all’ungherese. 

Ein zweites Thema dient sowohl als Einleitung und Zwischenspiel für den Walzer wie auch als Kontrapunkt. Die simultane Kombination dieser beiden Themen motiviert wechselseitige Anpassungen ihrer ursprünglichen Struktur. | T. F. 



Aufderheide’s »Dusty Rag« and »The Thriller«


Tobias Faßhauer

*1966

 

May Aufderheide’s (1888–1972)

»Dusty Rag« and »The Thriller« [1908/1909]

für Orchester [2008] UA

 

 

17. 1. 2009  Programm Nr. 15

10. 6. 2012  Benefizkonzert für ein Magnus-Hirschfeld-Denkmal

Einen ausführlichen Beitrag über dieses Arrangement finden Sie unter May Aufderheide.



Famose Mimosen


Tobias Faßhauer

*1966

»Famose Mimosen«

Marsch

 

 

Uraufführung 

07.07.2007 ► Konzert Nr. 12 

31.08.2007  Lange Nacht der Chöre 2007

06.10.2007  Orchestertreff 2007 

 

Wiederaufnahmen:

10.06.2012  Benefizkonzert für Hirschfeld Denkmal

02.09.2012 ► Sommerfest der Berlinischen Galerie 

 

Wiederaufnahme, in neuer Fassung von 2019:

02. & 03. 11. 2019, im Jubiläumskonzert 

► Programm Nr. 37


Mimosa pudica
Mimosa pudica

Die Mimose (Mimosa pudica L.),

auch Schamhafte Sinnpflanze genannt,

ist eine rosa blühende tropische Pflanzenart, die zu der Unterfamilie der Mimosengewächse (Mimosoideae) innerhalb der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae, Leguminosae) gehört. – Die Mimose vollführt Seismonastien, also eine Art der Pflanzenbewegungen. Die Pflanze reagiert lebendig in Sekundenschnelle auf Berührung, Erschütterung, schnelle Abkühlung oder schnelle Erwärmung. Dabei wird nur die betroffene Region der Pflanze blattweise eingeklappt. Nach einigen Minuten strecken sich die eingezogenen Zweige und Blätter wieder aus. Daher kommt auch der englische Name „Touch-me-not“ oder „Rühr mich nicht an“ und die Bezeichnung „Mimose“ (bzw. „mimosenhaft“) für einen sehr empfindlichen, sensiblen (oder sich von einer Krankheit erholenden) Menschen. – Alle Teile der Mimose sind mehr oder minder giftig und unverträglich. Sie sollte nicht verzehrt werden und unzugänglich für Kinder oder Haustiere stehen.

 

Oft werden auch als Ziergehölze kultivierte gelbblühende Akazien (Acacia) als „Mimosen“ bezeichnet.

Acacia karroo
Acacia karroo

Rummelmusik

 

Zugegeben, schon der Begriff Rummelmusik klingt verstaubt, allzu bierselig und grob, tut die Komposition tout de suite als eine nicht ernstzunehmende ab. Auch mein Versuch, dem Leser diese Komposition in der Metapher des Rummelplatzes näherzubringen, scheint wenig originell, allzu absehbar und einfach.

Wie kann Tobias Faßhauer heute noch einen Marsch komponieren? Haben wir mehr zu erwarten als triumphale Trompetensignale, scheppernde Beckenschläge, verspielte Triller im Holz?

 

Doch was soll langes Nachdenken, wo schon Fanfarenklänge dazu aufrufen, den faßhauerschen Rummelplatz zu betreten. Sogleich fällt die Vielfalt der Charaktere auf, die sich in einer Art polyphonen Wogens tummeln, in dem Stolz und Würde mit Leichtigkeit umspielt werden. Doch spätestens nach 40 Takten wird unsere Erwartung leichtfertigen Rummels der Musik nicht mehr gerecht. Melancholie und Sehnsucht durchziehen diesen Jahrmarkt, getragen von Hörnern, Bratschen und Celli, jedoch stets gebrochen durch den Marschrhythmus der übrigen. Der Kartenverkäufer am Karussell verspricht uns ein heiteres Trio, in der Art eines – wie er schmunzelnd zugibt – falsch harmonisierten College-Songs, von gurgelnden Klarinetten angetrieben. Bedrohlich nähert sich diesem Treiben das Gespenst einer Fuge, das sich jedoch schnell als eine Fughetta entpuppt. Unsere Erleichterung ermuntert uns zu einem letzten Rundgang, einem euphorischen Rausch, fast hysterisch, bis uns der Schlussakkord, konsequent und bestimmt, hinauswirft.

 

Faßhauer bezeichnet den Marsch als die dankbarste Gattung der Rummelmusik, da sie einer Vielzahl verschiedenster Stimmungen und Figuren Raum lässt und sentimentalen Ausdruck erlaubt, ohne in Pathos und Kitsch abzugleiten. Diese Komposition – der treue Konzertbesucher weiß, es ist nicht die erste – hat Tobias Faßhauer dem concentus alius zugedacht und sie mit den Worten „famose Mimosen“ betitelt. Die Frage, wer unter den famosen Mimosen den Lukas haut, an welchen Instrumenten Schlangenmensch, Zuckerwattenfrau und Quacksalber sitzen, soll jedoch an dieser Stelle offen bleiben. | T. B. 



Divertimento für Bläserensemble


Tobias Faßhauer

*1966

Divertimento für Bläserensemble

UA

 

 

Uraufführung

14. 1. 2006  Klassik im Salon 9


Die Komposition des »Divertimento für Bläserensemble« (ital. divertimento = Zerstreuung, Vergnügen) verdankt sich der Idee, die Streicher und Bläser des concentus alius in getrennten Auftritten zu präsentieren – und der Tatsache, dass die Auswahl an geeigneten Werken für die Bläserbesetzung des Orchesters sehr gering ist. Es galt, eine Bläsermusik unterhaltenden Charakters bereitzustellen, die in den Nostalgie-getränkten „Salon“-Teil der »Klassik im Salon«-Konzerte passt.

 

Das »Divertimento« bezieht seine tragenden Formen und Formulierungen aus dem gemeinhin unterschätzten traditionellen Genre der Blasmusik. Eine wichtige Rolle spielt aber auch die Verschmelzung von Materialien unterschiedlicher Herkunft. Dieses Prinzip ist etwa in der großenteils modalen (kirchentonartlichen) Melodik und Harmonik des Eröffnungsmarsches greifbar oder in den ausgedehnten Zwischenspielen des III. Satzes, wo versucht wird, repetitive Klangstrukturen, wie sie aus minimal music der populäreren Sorte geläufig sind, mit klassisch-romantischer Durchführungsharmonik zu verbinden. Das »Divertimento« ist keine Programm-Musik; dennoch mag der Erwähnung wert sein, dass es sich beim langsamen Ländler im Finale ursprünglich um die Neuvertonung eines recht bekannten Jagdliedes handelt, das von Martin Sperr als »Bürgermeisterlied« in sein Theaterstück »Jagdszenen aus Niederbayern« eingebaut wurde. Es wird dort von den Einwohnern eines niederbayerischen Dorfes am Biertisch gesungen, nachdem sie die beiden Außenseiter ihrer Gemeinschaft, den Schwulen und den „Dorftrottel“, zur Strecke gebracht haben. Die allgemein verbreitete Version dieses Liedes ist ein ziemlich brachialer Marsch, der sich vor allem dafür eignet, der Brutalität der Dorfbewohner Ausdruck zu geben. Der Ländler versucht einen anderen Aspekt ihrer Mentalität zu beleuchten: sentimentales Pathos. Die erste Fassung des Ländlers entstand für eine Aufführung der »Jagdszenen« im Sommer 2002 auf dem Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg.

 

Der Text wird in der Fassung des »Divertimento« nicht gesungen, soll aber gleichwohl nicht verschwiegen werden:

 

Ich schieß den Hirsch im wilden Forst,

Im dunklen Wald das Reh,

Den Adler auf der Klippe Horst,

Die Ente auf dem See.

Kein Ort, der Schutz gewähren kann,

Wo meine Büchse zielt,

Und dennoch hab ich harter Mann

Die Liebe auch gefühlt.

Und dennoch hab ich harter Mann

Die Liebe auch gefühlt.

 

T. Faßhauer