Gaëtano Donizetti


Domenico Gaetano Maria Donizetti

* 29. November 1797 in Borgo Canale, heute in Bergamo in Italien

† 8. April 1848 in Bergamo

autocaricatura © Privatsammlung, Bergamo
autocaricatura © Privatsammlung, Bergamo


Roberto Devereux


Gaëtano Donizetti

1797–1848

 

Ouvertüre zur Oper

»Roberto Devereux ossia Il Conte di Essex«

[UA 1837]

Blechbläser-Besetzung

eingerichtet von Tobias Faßhauer

 

Sinfonia: Larghetto

– Vivace

– Leggerissimo

– Più allegro

 

► Konzert Nr. 19


Robert Devereux, 2nd Earl of Essex,
London, National Portrait Gallery

Nach einem ganzfigurigen Portrait

von Marcus Gheeraerts (Gerards) d. J. (1561/62–1636)

aus dem Jahr 1597

Robert Devereux, 2nd Earl of Essex. Vermutl. 17. Jh.

Öl auf Leinwand, 63,5 x 50,8 cm

 

Robert Devereux (geb. 1565), der zweite Earl of Essex, stieg um 1587 zum Favoriten der gar nicht so jungfräulichen Virgin Queen Elisabeth I. von England auf, stellte aber in der Folge die Gunst der Königin mehrfach auf harte Proben. 1589 nahm er gegen ihren Befehl an dem (erfolglosen) Angriff einer »Englischen Armada« unter Francis Drake auf das damals spanische Lissabon teil. 1590 verärgerte er Elisabeth durch die zunächst verheimlichte Heirat mit der Tochter des königlichen Sekretärs und Spionagechefs Francis Walsingham. Im folgenden Jahr erhielt er dennoch das Kommando über eine Operation zur Unterstützung König Heinrichs IV. von Frankreich gegen die Spanier, die jedoch zum Fehlschlag geriet. 1596 dann gelang ihm mit Charles Howard, dem ersten Earl of Nottingham, ein beispiellos verwegener Coup, der ihn in ganz Europa berühmt machte: der vernichtende Schlag gegen die spanische Flotte bei Cádiz und die anschließende Einnahme und Plünderung der Stadt. Ein 1597 mit Walter Raleigh unternommener Versuch, die spanische Silberflotte bei den Azoren abzufangen, war wiederum ein Misserfolg. Im selben Jahr veröffentlichte John Dowland, einer der bedeutendsten Komponisten der Epoche, das Lied Can She Excuse My Wrongs auf einen Text, der aus Essex’ Feder stammen soll und somit als Appell an die Königin zu verstehen ist; 1604 erschien diese Komposition auch als Instrumentalstück mit dem Titel The Earl of Essex’ Galliard.

 

1599 wurde Essex zum Statthalter und Generalgouverneur von Irland ernannt, wo es galt, die Rebellion des Earl of Tyrone niederzuschlagen. Essex agierte auf diesem Posten ebenso eigenmächtig wie glücklos, vereinbarte mit Tyrone schließlich einen Waffenstillstand, der in England als demütigend empfunden wurde, und kehrte im September unerlaubt nach London zurück. Um den Skandal komplett zu machen, drang er in das Schlafgemach der Königin vor, während diese noch nicht vollständig angekleidet war. Der Privy Council, das Kabinett der Königin, verurteilte Essex wegen grober Pflichtverletzung zu Hausarrest. Dieser wurde im August 1600 zwar aufgehoben, doch blieb Essex vom Hof verbannt und verlor außerdem sein einträgliches Privileg für den Süßweinhandel. Im Februar 1601 versuchte er mit einigen Getreuen, den Zugang zur Königin gewaltsam zu erzwingen, was aber kläglich scheiterte. Damit hatte Essex den Bogen endgültig überspannt. Noch im selben Monat wurde er als Verräter im Tower von London enthauptet. 

Gaëtano Donizetti, der Meister der Belcanto-Oper, komponierte Roberto Devereux oder Der Graf von Essex um die Jahresmitte 1837 in Neapel. Das Werk ist nach Il castello di Kenilworth (1829) und Maria Stuarda (1834) das letzte von drei Donizetti-Opern um Elisabeth I.; eine weitere, Anna Bolena (1830), widmet sich Elisabeths Mutter Anne Boleyn. Das Libretto zu Roberto Devereux schrieb Salvatore Cammarano; es beruht auf dem französischen Drama Elisabeth d’Angleterre (1829) von Jacques-François Ancelot und war im Übrigen dem Vorwurf ausgesetzt, von einem Operntext Felice Romanis über dasselbe Sujet abgekupfert zu sein, den Saverio Mercadante bereits 1833 vertont hatte. Donizettis dreiaktige Oper entstand unter, gelinde gesagt, schwierigen Umständen: In Neapel wütete die Cholera, und im Juli starb seine Frau Virginia, die durch eine Fehlgeburt geschwächt war. 

 

Die Handlung von Roberto Devereux setzt bei Essex’ Rückkehr aus Irland an, beleuchtet aber kaum die politische Dimension der folgenden Ereignisse. Im Vordergrund steht vielmehr ein rein fiktives Drama um Eifersucht und enttäuschte Freundschaft innerhalb einer Viereckskonstellation aus Elisabeth, Essex, dem »Herzog« (lies: Earl) von Nottingham und dessen Frau. Essex muss am Ende sterben, weil Nottingham, der dem Freund sein Liebesverhältnis mit der Herzogin übelnimmt, verhindert, dass dessen Begnadigungsgesuch die Königin rechtzeitig erreicht; diese erleidet daraufhin einen Zusammenbruch. Die Oper geht derartig frei mit den historischen Tatsachen um, dass selbst der 1939 produzierte Hollywood-Film The Private Lives of Elizabeth and Essex (Günstling einer Königin) mit Bette Davis und Errol Flynn dagegen wie ein Muster an Faktentreue und politischer Analyse erscheint.

 

Bette Davis und Erol Flyn in dem Spielfilm »Günstling einer Königin«, Regie: Michael Curtiz, 1939
Bette Davis und Erol Flyn in dem Spielfilm »Günstling einer Königin«, Regie: Michael Curtiz, 1939

 

Die Form der Ouvertüre entspricht jener eines Sonaten-Allegros mit langsamer Einleitung, Exposition zweier kontrastierender Themen, Durchführung und Reprise. Die Einleitung verarbeitet die Hymne God Save the Queen (King) – ein blanker Anachronismus, da dieses Lied erst im 18. Jahrhundert nachweisbar ist. Das fugenartig behandelte erste Thema steht anfangs in d-Moll, kehrt aber nach der knappen Durchführung in D-Dur wieder, was in Anbetracht des tragischen Opernstoffs doch überraschend optimistisch wirkt. Indessen sind solche Querstände zwischen Inhalt und musikalischem Ausdruck für Donizetti durchaus typisch, wie auch das zweite Thema zeigt. Dieses eigentliche Herzstück der Ouvertüre ist ein Vorauszitat der Cabaletta, mit der Essex im dritten Akt, die Hinrichtung vor Augen, von der Welt Abschied nimmt und deren trotzig-kämpferischer Charakter zum Text in einem eigenartigen Widerspruch steht: Bagnato il sen di lagrime, tinto del sangue mio (»Die Brust gebadet in Tränen, rot von meinem Blut«). In der instrumentalen Version der Ouvertüre ist diese Musik wohl einer der feurigsten italienischen Opernmärsche überhaupt. | T. F.



Don Pasquale


Gaëtano Donizetti

1797–1848

Kavatine (Nr. 5) der Norina

»Quel guardo il cavaliere«

aus der Oper »Don Pasquale«

 

Laila Salome Fischer hat die Kavatine der Rosina

im Programm  »Klassik im Salon 8« gesungen

 

 

Wiederaufnahme mit Gloria Rehm

im   Jubiläumskonzert 10 Jahre concentus alius 

    Der alte, reiche Junggeselle Don Pasquale will durch eine Heirat verhindern, dass sein Neffe Ernesto sein Vermögen erbt und die arme Witwe Norina heiratet. Malatesta, der Freund und Hausarzt Don Pasquales, ist Ernesto freundlich gesinnt. Er stellt die junge, hübsche Norina Don Pasquale als seine Schwester vor und veranstaltet zwischen beiden eine scheinbare Hochzeit, nach der Norina „ihren Mann“ zu tyrannisieren beginnt. Als Don Pasquale die Wahrheit erfährt, überlässt er Norina erleichtert Ernesto.

    In dieser Szene liest Norina gerade einen kitschigen Liebesroman. Indem sie ihn affektiert vorliest, macht sie sich über den Inhalt lustig. Dann legt sie das Buch beiseite und erzählt, dass sie das Spiel der Liebe auch von alleine versteht. | L. S. F.

 


Cavatina

NORINA

 

„Quel guardo il cavaliere 

in mezzo al cor trafisse 

piegò il ginocchio e disse: 

son vostro cavalier! 

E tanto era in quel guardo 

sapor di paradiso, 

che il cavalier Riccardo, 

tutto d'amor conquiso, 

giurò che ad altra mai 

non volgeria il pensier.“

So anch’io la virtù magica 

d’un guardo a tempo e loco, 

so anch’io come si bruciano 

i cori a lento foco, 

d’un breve sorrisetto 

conosco anch’io l’effetto, 

di menzognera lagrima, 

d’un subito languor. 

Conosco i mille modi 

dell’amorose frodi, 

i vezzi, e l’arti facili 

per adescare un cor. 

Ho testa bizzarra; 

son pronta, vivace... 

mi piace scherzar, 

mi piace brillar. 

Se monto in furore 

di rado sto al segno, 

ma in riso lo sdegno 

fo presto a cambiar.

Kavatine

NORINA

 

(lesend)

„O diese Glut in Blicken,

Vorgeschmack vom Paradies,

dass sich der Held voll Entzücken

wonnig besiegen ließ

und in die Kniee niedersank 

und ewige Liebe schwor.“

 

 

(Sie legt das Buch weg)

Ich kenn’ den tiefen Zauber

von einem Blick zur rechten Zeit,

ich weiß, wie schnell ein Herz entbrennt

in bittersüßer Seligkeit.

Der Blicke schnelle Grüße,

heimlicher Tränen Süße,

ich kenne sie und kenne

die liebe Mattigkeit.

Ich kenne all die Wege

und zärtlichen Gehege

der Liebe, der Treue

und ihre Heimlichkeit.

Den Kopf voll Capricen,

lieb’ ich nicht zu trauern,

bin nicht von den Sauern,

kenn’ nicht Trauerton.

Will mal überfließen

die Galle und quälen:

bis drei gilt’s zu zählen,

da lache ich schon.



Concertino für Klarinette und Kammerorchester


 Gaetano Donizetti

1797–1791

Concertino für Klarinette und Kammerorchester

 

gespielt von Henrik Lange

im Konzert »Klassik im Salon 2«

Rossini, Bellini, Donizetti – in dieser Reihenfolge werden die drei Hauptvertreter der Belcanto-Epoche meist genannt. Der 1797 in Bergamo geborene Donizetti stand zunächst hinter seinen beiden europaweit gefeierten Landsleuten zurück und schrieb daher Oper um Oper – 74 sollten es werden – um sein Talent unter Beweis zu stellen. Doch das Problem der Drittplatzierung sollte sich bald lösen, als Rossini sich von der Musik ab- und den Gourmandisen zuwandte und Bellini im Alter von nur 34 Jahren starb. Nun war die Bühne frei für Donizettis tragische Frauengestalten, mit denen er unvergängliche Identifikationsfiguren für alle unglücklich Liebenden und zu Unrecht Verstoßenen schuf. Heißen sie Anna Bolena, Maria Stuarda oder Lucia di Lammermoor – noch auf dem Schafott oder schon dem Wahnsinn verfallen, liefern sie Arien von vollendeter Melodiegebung und kunstvollster Verzierungstechnik ab. Doch Donizetti liebte es auch, komische und groteske Momente, kurz: das pralle Leben auf der Bühne abzubilden. Die Brisanz der Stoffe vermag noch heute zu frappieren. So schrieb er mit dem »Liebestrank« eine Oper über den Handel mit potenzsteigernden Mitteln und schuf in »Viva la Mamma!« endlich eine würdige Rolle für Damenimitatoren im Stimmfach Bariton. Gegen solchen Bühnenzauber haben es die reinen Instrumentalkompositionen Donizettis etwas schwer im Konzertsaal – zu Unrecht, finden sich doch hier Sentiment und Witz der Opern im Dialog des Soloinstruments mit dem Orchester wieder.

 

Das Concertino ist mit seinen zwei Sätzen wie eine große Opernarie angelegt. Die Klarinette übernimmt den Part des Soprans in einem elegischen, reich verzierten ersten Satz. Die Funktion der Stretta, des virtuosen Abschlusses, erfüllt das quirlige Rondo, nicht von allzu großem kompositorischen Ehrgeiz belastet, sondern als unbekümmerte Episodenfolge daherkommend. | H. L.